Wie geht es weiter?

Manch eine:r fragt sich vielleicht, warum wir unsere Proben nicht wieder aufnehmen und an
„Bagnacavallo“ weiterarbeiten, denn viele Theater haben ja schon vor der Sommerpause ihren Betrieb wieder aufgenommen und haben ihre Spielpläne für den Herbst schon veröffentlicht – natürlich eingeschränkt.

tl;dr: Wir wissen es nicht

Das hat drei Gründe.

Das Proben

Derzeitiger Stand der Wissenschaft ist ja, dass sich Covid-19 hauptsächlich über Aerosole verbreitet und eine Ansteckungsgefahr insbesondere in geschlossenen Räumen am höchsten ist.

Bagnacavallo: FütterungNeun Menschen befinden sich drei Stunden lang in einem Raum, sprechen laut, schreien gegebenenfalls, kommen sich nah, umarmen sich, oder kämpfen miteinander, füttern sich, etc. Gut, die Inszenierung könnte man umbauen und den Gegebenheiten anpassen. Man könnte Fenster und die Tür offen lassen – was aber von der Nachbarschaft auch nicht immer gewünscht ist. Es ist manchmal einfach laut. Wir haben nun auch schon so lange ausgesetzt, wir müssten quasi von vorne beginnen – und zum Herbst hin wird es kalt. Proben mit Mund-Nasen-Schutz ist eher keine Option.

Diese Situation ist für Menschen, die extrem vorsichtig sind, schon schwierig.

Die Produktion

Wir stemmen, d. h. finanzieren unsere Produktionen ja komplett selber – ohne Fördergelder, Subventionen, etc. Zudem spielen wir in kleinen Theatern, mit den obligatorischen 99 Plätzen. Unsere ersten drei Aufführungen hatten wir im Horizont Theater geplant. Das hat eine schöne kleine Bühne im Keller. Wir haben das jetzt nicht explizit recherchiert, aber mal abgesehen davon, dass wir nicht wissen, wie dort die Belüftungssituation ist, gehen wir davon aus, dass der Raum nur zu 50% mit Publikum besetzt würde. Es ist vermutlich nicht davon auszugehen, dass sich dadurch auch die Miete halbiert, denn die Betriebskosten des Theaters bleiben ja gleich. Das ist unser Finanzplan von der letzten Produktion:

Finanzen Hysterikon 2018

Die Finanzen unserer letzten Produktion

Wenn also die Kosten bleiben und sich die Einnahmen halbieren, wären wir bei einem krassen Minus. Das sind jetzt Mutmaßungen, denn wir wissen nicht, wie die Situation im Theater tatsächlich ist. Ebenfalls gehen wir davon aus, dass viele Menschen zur Zeit einfach nicht ins Theater gehen. (So wie die Autorin dieses Beitrags).

Die Aufführungen

Zum Teil schon oben beschrieben. Das Horizont Theater hat, glaube ich, insgesamt fünf oder sechs Reihen, der Raum ist recht klein und auch nicht sehr hoch. Die Zuschauer sitzen auf drei Seiten um die Bühne herum – was normalerweise ein sehr schönes, dichtes und energetisches Spiel-Gefühl ist. Dazu kommen 8 Protagonisten, die auf der Bühne laut und gut artikuliert sprechen, weinen, schreien, singen – also viel mehr Aerosole ausstoßen oder zumindest weiter in den Raum schießen, als ein normal sprechender, oder nur atmender Mensch. Und das über eine Zeitraum von gut anderthalb Stunden. Das ist für alle Beteiligten eine nicht zumutbare Situation.

Unsere Derniere hatten wir in der Rü-Bühne geplant. Da sind Raum und Bühne schön groß. Wir hatten dort beim letzten Mal 37 zahlende Gäste – das wäre (auch finanziell) eine Situation, die sicher gehen würde – wenn oben erwähnte Situation für die Schauspieler nicht wäre.

Also, bis auf weiteres liegt bei uns alles auf Eis. Wir sind darüber sehr traurig, das gemeinsame Arbeiten fehlt allen sehr.

Probenfoto Bagnacavallo

Ein Probenfoto aus vor-Coronazeiten.

Unsere Regisseurin Nada Kokotovic arbeitet unermüdlich weiter. Ihre aktuelle Produktion „Angst essen Seele auf“ hat am 11. Septmber 2020 Premiere im Theater der Keller.